76 | Walter Rausch: Die Familienbäume aus Tansania

ENGLISH TEXT BELOW: WALTER RAUSCH – THE FAMILY TREES FROM TANZANIA

schreibe-deinen-eigenenGastbeitrag von Walter Rausch: Die Familienbäume aus Tansania

Es war 1980, als ich zum ersten Mal Kontakt zu den Ebenholzschnitzern in Dar es Salaam, der Metropole Tansanias, hatte. An der Ausfallstraße nach Norden standen einige halboffene Lehmhütten, und die Schnitzereien befanden sich auf Regalen darin. Mit einer jungen Frau besprach man den Preis. Hatte man sein letztes Angebot genannt, ging sie zu einem der vielen Schnitzer vor oder hinter den Hütten, von dem sie wusste, dass man sein Werk kaufen wollte, und fragte ihn, ob er mit dem gebotenen Preis einverstanden sei. Man konnte den Makondeschnitzern, wie sie heißen, weil damals die meisten Schnitzer aus dem Volk der Makonde stammten, bei ihrer Arbeit zusehen. Da sich das Hartholz Ebenholz nur von Hand bearbeiten lässt, rücken die Künstler dem Holz mit Säge, Querbeil, Meißel und Schnitzmesser zu Leibe. Damit wird die Figur geschaffen. Dann folgt das sogenannte „finishing“ mit Feilen, Sandpapier und ganz am Ende einer möglichen Politur. Heute findet man kaum noch Schnitzer in der Nähe der mittlerweile in feste Steinhäuser umgesiedelten Verkaufsstätten, aber eine große Zahl von „Finishern“. Die meisten Künstler verkaufen ihre fertig geschnitzten Produkte an die Händler, und die geben sie dann weiter an die „Finisher“. Dabei werden heute immer noch die Mehrzahl der Schnitzereien am Ende mit Kiwi-Schuhcreme poliert, damit sie diesen schwarzen Eindruck machen. Schwarz wie Ebenholz. Der Zeitaufwand für’s „Finshing“ ist in der Regel nicht kürzer als der des Schnitzens.

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© Walter Rausch

Mich hatten diese Ebenholzschnitzereien sofort in den Bann gezogen, so dass ich bei jedem meiner Besuche in Dar es Salaam bei den Schnitzern vorbeischauen musste. Vier Jahre habe ich in Tansania an einer weiterführenden Schule Mathematik und Physik unterrichtet, wozu ich mich nach meiner Verbeamtung auf Lebenszeit entschlossen hatte, um meinen Traum, im Ausland zu arbeiten, umzusetzen. Auch nach meiner Rückkehr nach Deutschland bin ich in fast jedem Jahr in Tansania, und mehrere Besuche in den über fünfzig kleinen Läden mit den Schnitzereien sind bis heute ein Muss für mich.

Besonders angetan hatten es mir von Beginn an die Lebensbäume oder genauer gesagt die Familienbäume bzw. Familienstelen, auf Suaheli „Ujamaa“ (Familie). Hier werden Menschen mit Gegenständen das Alltags aufeinander getürmt. Häufig krönt diese Figur ein männlicher oder weiblicher Kopf, der die Mutter oder den Vater darstellt. Ich besitze eine Figur mit zwei Enden, einem männlichen und einem weiblichen Kopf.

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© Walter Rausch

Auch nach meiner Pensionierung bin ich immer noch in der „Tansania AG des Friedrichs-Gymnasiums Herford“ tätig, die  Kinder und Jugendliche in Tansania finanziell unterstützt, eine schulische oder berufliche Ausbildung zu erlangen. So habe ich immer Schnitzereien von meinen Besuchen mitgebracht, so dass sie dann von den Schülerinnen und Schülern der Arbeitsgemeinschaft (AG) verkauft werden. Der Gewinn fließt in die Kasse der AG.

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© Walter Rausch

Da mich, wie oben gesagt, die Lebensbäume bzw. Familienstelen besonders faszinieren, kaufe ich bis heute immer wieder welche und besitze nun eine ganze Reihe, da die AG in dem kleinen Städtchen Herford so viele gar nicht an den Mann oder die Frau bringen kann.

Interessant ist die Entwicklung. Waren sie zu Beginn noch ein massiver Block, so wurden sie später ausgehöhlt und ganz fein geschnitzt. Eine solche fast ein Meter hohe graziele Figur schmückte meine Wohnung, bis eine Besucherin dagegenstieß, die Figur umfiel und die Skulptur in zig Teile zerbrach. Dann gab es zwischendurch eine Zeit, in der die Skulpturen abstrakt, also ohne Gesichtszüge waren. Die Künstler sprachen von „mawingu“ (Wolken). Eine weitere Entwicklung stellt das Miteinbeziehen des Splintholzes dar. Es wird teilweise stehen gelassen. Eine Skulptur habe ich, da ist das Splintholz wie ein Band um die Figur geschlungen.

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© Walter Rausch

Mittlerweile hat die tansanische Regierung die Ausfuhr von Ebenholzprodukten stark reglemetiert, um den Raubbau mit dem nur sehr langsam nachwachsendem Holz einzuschränken. Das ist zum einen sehr positiv, da in Zeiten des anscheinenden Überflusses an Ebenholz sogar Coca-Cola-Flaschen daraus geschnitzt wurden. Zum anderen jedoch sitzen Schnitzer und Händler auf einer Vielzahl von Ebenholzskulpturen, insbesondere Lebensbäumen fest. Der Kauf oder Verkauf von Ebenholzfiguren ist so eingebrochen, dass kaum noch ein Künstler davon leben kann. So bat im Januar dieses Jahres der hochtalentierte Schnitzer Morice die AG darum, seinen bei der Schwester seiner verstorbenen Frau lebenden Sohn finanziell zu unterstützen, damit er Schulkleidung und Schuhe sowie Hefte und Bücher kaufen kann, um weiterhin zur Schule gehen zu können. Wir haben ihm mit 40 € für das Schulhalbjahr geholfen.

Wenn wir also für die Kunstwerke Interessenten suchen, dann zum einen um Geld für die Arbeit der AG zu bekommen, aber auch zum anderen, um damit die Künstler zu unterstützen. Dabei entsprechen die Preise, wenn man die Stunden, die Schnitzer und Finisher daran arbeiten, berechnet, der Arbeit kaum.

Noch einmal: die Tansania AG verkauft Ebenholzschnitzereien, um damit ihre Arbeit, Jugendlichen in  Tansania eine Ausbildung zu bezahlen, zu finanzieren.

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Walter, Öl auf Leinwand, 50 x 50 cm, 2017 von Seona Sommer

Wer die ehrenamtliche Arbeit von Walter Rausch und die Tansania-AG unterstützen möchte:

>>Tansania AG des Friedrichs-Gymnasiums Herford

>>Walter Rausch bei Facebook

Email: walter.rausch@t-online.de

(Alle Fotos oben: Walter Rausch > Die Skulpturen können alle käuflich erworben werden.)

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WALTER RAUSCH – THE FAMILY TREES FROM TANZANIA

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Guest article by Walter Rausch: The Family Trees from Tanzania

It was back in 1980 when I first met the ebony wood carvers in Dar es Salaam, the metropolis in Tanzania. Some half open clay huts were standing along the arterial road to the north and the carvings were being presented on shelves inside. A young woman would usually negotiate the price with you first. After you had made your last offer, the woman would go one of the many carvers in front of or behind the huts that offered the piece you were interested in. She asked them whether they accepted the price. The carvers were named Makonde carvers as most of them belonged to the Makonde community, and you could watch them doing their work. Ebony is hardwood and can only be worked on manually, so the carvers use saws, axes, chisels, and carving knives. This is how the figure is created. Then the so-called “finishing” follows, for which files and sanded paper are used. Sometimes the sculpture is submitted to a final polish. Today, there are almost no carvers next to sales offices, which haved moved to solid stone houses in the meantime, but you can still see a high number of the “finishers” there. Most artists sell their carved products to dealers, and these pass them on to the “finishers”.  Most carvings are still polished with kiwi shoe polish, so they become really black eventually. Black like ebony. Usually, the time for polishing takes just as long as the time for carving.

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© Walter Rausch

I was immediately spellbound by the ebony wood carvings, so I had to pay a visit to the carvers every time I was in Dar es Salaam. After becoming a qualified teacher in Germany (who have a status of permanent officials there), I wanted to pursue my dream of teaching abroad and, for four years, worked in Tanzania as a high school teacher for maths and physics.  But also after returning to Germany, I have been going back to visit Tanzania almost every year, and each year again I just have to go and visit the more than 50 little carving shops.

From the very beginning, I have been particularly impressed by the Trees Of Life, or rather the Family Trees, or Family Steles, “Ujamaa“ in Swahili ( = family). Here, people and everyday items are placed one atop the other, often crowned by a male or female head, that represents mother or father. I own such a figure with even two ends, a male and a female one.

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© Walter Rausch

Even though, I am retired now, I still operate the “Tansania AG” of the high school I used to work for named “Friedrichs-Gymnasiums Herford“. We sponsor children and teenagers financially with their school education and vocational training. This is why I have always brought home wood carvings so the pupils of the Tansania AG can sell them. The money we make, we all put into our common cashbox.

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© Walter Rausch

As I am especially taken by the Family Trees or Family Steles – as mentioned above – I already own quite a number of them… Unfortunately, the Tansania AG can just not sell them all in our small town of Herford.

The development is really interesting. Whereas they were a massive block in the beginning, they were hollowed out later and finely carved. I used to decorate my appartment with such a delicate figure until a visitor accidentally bumped into it, the sculpture fell over and was split into small pieces. Then there was a time in between when the sculptures were abstract without any facial features. The artists called them “mawingu“ (clouds). A further development is the inclusion of the sapwood, which is partly left to see. I have got one sculpture which shows the sapwood like a strap around the figure.

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© Walter Rausch

Meanwhile, the Tanzanian government has regulated the export of products made of ebony enormously in order to restrict the ruthless exploitation of this kind of wood as it grows back only very slowly. On the one hand, this is very positive, of course, as in times of apparent abundance even Coca Cola bottles were carved in wood. On the other hand, though, the wood carvers as well as the dealers still have plenty of ebony sculptures, especially Family Trees, in stock and can’t sell them. So the market for ebony products has collapsed and the artists can hardly live on it. For this reason, in January of this year, the highly talented wood carver Morice asked the Tansania AG to sponsor his son, who lives with the sister of his already deceased wife, so he can continue his school education and buy a school uniform and text books. We helped him with 40 € for the school semester.

When we look for art lovers to buy artworks, then we look for money that is used for the work of the Tansania AG and to sponsor the artists. The prices actually hardly match the time that the wood carvers and finishers put into them.

Once again: the Tansania AG’s main goal by selling the ebony sculptures is to sponsor teenagers to pursue their education.

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Walter, Öl auf Leinwand, 50 x 50 cm, 2017 von Seona Sommer

If you want to support Walter Rausch’ voluntary work and the Tansania AG, please contact them here:

>>Tansania AG at Friedrichs-Gymnasiums Herford

>>Walter Rausch on Facebook

Email: walter.rausch@t-online.de

(all photos above courtesy: Walter Rausch > the sculptures above are all for sale)

(Translation: Seona Sommer)

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