41| Auf der Suche nach einem Titel für ein Kunstwerk

Titel für neue Kunstwerke sind meist schnell zu finden. Aber manchmal ist es auch gar nicht so einfach. Heute erzähle ich dir von einer schwierigen Titelsuche, die noch mehrere Wochen nach Fertigstellung des Gemäldes andauerte.

Das Kunstwerk

Dieses Bild habe ich bereits Mitte September fertiggestellt. Es gehört nicht zu meinen drei aktuellen Schwerpunktthemen, aber ich würde sagen, es ist Teil eines wichtigen Nebenthemas von mir: Kinder der Welt. Das Referenzfoto wurde von Laia López Barnadas dieses Jahr in Pakistan aufgenommen. Der intensive Blicks des Mädchens und das leuchtende Blau fiel mir in ihrem Portfolio direkt auf.

Expectations
Öl auf Leinwand | 50 x 70 cm
2022
(Referenzfoto: Laia López Barnadas)

Die Welt durch Kunst erkunden

Ich sah dem Mädchen in die Augen und irgendwie öffnete sich darin die ganze Welt für mich.

Kennst du das Gefühl, wenn du jemand in die Augen schaust und dann von einem großem Mitgefühl diesem Menschen gegenüber überwältigt wirst? Bei den meisten Menschen ist dies der Fall, wenn sie einem geliebten Menschen in die Augen schauen, vielleicht der Ehepartnerin*dem Ehepartner oder dem eigenen Kind.

Mir kann das allerdings jedes Mal passieren, wenn ich die Gelegenheit habe, jemandem für längere Zeit in die Augen zu schauen. Du fragst sich vielleicht, bei welcher Gelegenheit dies überhaupt der Fall sein könnte. Du hast natürlich Recht, diese Gelegenheiten sind im wirklichen Leben eher selten. Normalerweise schaut man jemandem nicht ohne Grund längere Zeit in die Augen. Schon gar nicht in die Augen eines Fremden.

Kunst kann diese Gelegenheiten schaffen! In der Kunst können wir genauer hinsehen und etwas erleben, das im wirklichen Leben schwer zu finden ist. Kunst kann als emotionale Brücke zwischen dir selbst und etwas oder jemand anderem dienen. Kunst kann eine Empfindung oder ein Gefühl verstärken. Kunst kann dir helfen, ein neues oder emotional verborgenes Thema zu entdecken und zu erforschen.

Für mich war es in diesem Fall, als ob ich durch die Augen des Mädchens in die Augen aller Kinder überall auf der Welt schauen konnte und ich empfand ein tiefes menschliches Mitgefühl. In den Augen des Mädchens tat sich die ganze Welt auf.

Eine Email an Riopy

Während der Arbeit an diesem Porträt habe ich viel den französischen Pianisten Riopy gehört, also eigentlich sogar ausschließlich. Eines meiner Lieblingsstücke von ihm heißt “Human Compassion”. Eigentlich hatte ich eigentlich nicht die Absicht, eine Verbindung zwischen meinem Bild und diesem Stück herzustellen, aber ich habe einfach eine Verbindung gespürt.

Human Compassion” wäre der perfekte Titel gewesen, dachte ich und habe einen Email an Riopy geschrieben, um ihn quasi um Erlaubnis zu bitten. Der Titel ist keine ganz außergewöhnliche Formulierung, und ich hätte das Bild wohl auch so nennen können, ohne um Erlaubnis zu fragen. Aber ich wollte diese Verbindung wirklich gerne offiziell machen.

Natürlich ist es nicht einfach, zu jemandem wie Riopy selbst durchzudringen. Ich habe mir seine Website angesehen und den PR-Manager aus der Liste der möglichen Ansprechpartner ausgewählt.

Um es kurz zu machen: Ich habe nie persönlich mit Riopy gesprochen. Der PR-Manager bot mir an, meine Anfrage an ihn weiterzuleiten, aber schlussendlich sagte er, er könne mir nicht helfen. Also gut. Hat nicht geklappt.

Von “Hope” zu “Expectation”

Der nächste Titel, der mir einfiel, war “Hoffnung”. Allerdings hatte ich diesen Titel im letzten Jahr bereits einem anderen Kinderporträt gegeben, und ich fand, dass das letzte Jahr zu nahe an diesem Jahr lag, um ihn zu wiederholen.

Und dann wurde mir klar: Der Blick dieses Mädchens steht nicht für Hoffnung, sondern für Erwartung. In meiner Serie “Kinder der Welt” geht es um die nächste Generation, die vor großen Herausforderungen steht, weil der globale Klimawandel zu den bereits bestehenden Krisen wie Kriegen, Hunger und großen sozialen Ungerechtigkeiten noch dazukommt. Die Erwartung übersteigt die Hoffnung und ist der einzige richtige Gedankenansatz in der heutigen Welt.

Meine Generation ist nicht die erste, die existenzielle Krisen erlebt. Aber die moderne Welt war noch nie so mit der Bedrohung durch die globale Erderwärmung konfrontiert, wie wir es jetzt sind. Wohin werden all die Menschen noch gehen können, wenn unser lebenswerter Lebensraum mit alarmierender Geschwindigkeit immer weiter abnimmt, frage ich mich.

Und dann das: Kurz nachdem ich dieses Porträt eines Mädchens in Pakistan fertiggestellt hatte, erlebte das Land enorme Monsunüberschwemmungen. Laia hatte das Mädchen dieses Jahr im Hamza-Tal getroffen, wo sie der Fotografin stolz ihr blaues Kleid präsentierte. Das Hamza-Tal wurde glücklicherweise von den Überschwemmungen verschont, aber insgesamt war die Katastrophe eine der schlimmsten in der Geschichte des Landes.


Dieser Blog ist ein Serviceangebot von: Atelier SommerKunst.

Bei Fragen oder Anmerkungen schicke uns gerne eine Email an: mail(at)ateliersommerkunst.de

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